Was mir so durch den Kopf geht #24
- info555080
- vor 22 Minuten
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„Der Wiedergewinn der Unbedarftheit"
Beim Spaziergang sind mir heute am Sonntagmorgen in Augsburg entlang des Ufers am Lech zahlreiche Jogger begegnet. Man kann sie in drei Kategorien unterteilen:
Da sind die erfahrenen Läufer, die dies nicht nur einmal die Woche tun, sondern bei Wind und Wetter und egal zu welcher Jahreszeit ihre Runden drehen. Ihre Haltung, der fast schon lässige Trab und ein gutes, aber unangespanntes Tempo zeugen von zig Wiederholungen und einem fast meditativen Rhythmus.
Dann gibt es die Jogger, die phasenweise oder eher sporadisch unterwegs sind. Sie versuchen eine entspannte Atmosphäre auszustrahlen, schieben sich an einem vorbei (fast hat man das Gefühl, sie halten während dieser paar Meter die Luft an, damit man ihren schwer gehenden Atem nicht hört) und tragen meist neueste Schuhe und Klamotten. Die Gangart wirkt erlernt, man spürt den Willen und die Zuversicht, dass dies genau das ist, was sie machen möchten.
Und dann sind da die Menschen, die sich ein Ziel gesetzt haben (so ein typisches Neujahrs-Versprechen), etwas Gutes für sich tun zu wollen oder gar zu müssen. Das ungelenke Abrollen der Füße, der übertriebene Schwung der Arme, die verkrampften Schultern und das erzwungene Lächeln, wenn sie an einem vorbeikeuchen, zeigen ihr Bemühen, etwas zu machen, was sie nicht nur anstrengt, fast schon über alle Maßen über ihre Grenzen hinauskatapultiert, aber dennoch auch, dass sie etwas erreichen möchten. Die wenigsten werden es wohl durchziehen, denn bald schongibt es genügend Momente, die sie davon abhalten werden, dranzubleiben.
Und ich finde das gar nicht verwerflich, denn meist sind die Beweggründe mit Themen wie Körpergewicht, Alter und Aussehen behaftet, die aus einem negativen Gefühl entstanden sind. Nur was mich stört: Wenn dies oft nicht aus eigenem Antrieb, sondern von außen suggeriert wird. DU bist so nicht in Ordnung. Dinge entwickeln sich bei DIR in die falsche Richtung. DU musst was für dich tun, weil ...
Also geißeln sich diese Menschen und versuchen diesen „negativen" Dingen entgegenzutreten. Meist brachial und mit wenig Plan. Oder mit einem Plan, der sich nicht nur aus allgemeinen Floskeln und Althergebrachtem zusammensetzt, sondern nichts mit den wirklich persönlichen Bedürfnissen und eventuellen Problemen zu tun hat. So gibt man irgendwelchen Allgemeinplätzen und achso wichtigen Tipps sehr viel Raum und Kraft und verliert seine eigenen Aspekte aus den Augen.
Auch ich bin lange Zeit in diese Falle getappt. Auch bei mir war das ein jahrelanger Prozess. Als jugendlicherKunstturner habe ich mich immer zu pummelig gefühlt. Irgendwie zu lang, zu viel Babyspeck. Beim Tanzen war ich dann fast zu muskulös (also keine Prinzen-Erscheinung), und das Bild von mir selbst wurde immer verzerrter. Natürlich habe ich so einiges ausprobiert, um meine Figur zu verbessern. Zum Glück war dies nie von langer Dauer. Und wenn ich heute Bilder von damals betrachte, kann ich nur den Kopf schütteln und mich wundern, dass ich ein solch seltsames Bild von mir selbst hatte. Das hat sich erst in meinen Mittzwanzigern so langsam geändert. Und irgendwann war klar, dass sich gerade durch die vielen Wandlungen und periodischen Phasen im Laufe der zahllosen Jahre verschiedensterTanzproduktionen, mit den jeweils individuellen Ansprüchen an die Bewegungssprache und physischen Anforderungen, sich mein Körper immer in einer gewissen Veränderung befand (und immer noch befindet - und das nicht nur altersbedingt).
Dennoch fühle ich mich immer mehr bei mir angekommen, lasse es mir gut gehen, genieße das Essen, auch mal Faulenzen und lasse das Training auch mal sausen, wenn es mir nicht danach ist.
Irgendwann begegneten mir dann heute Morgen ein Vater mit seinem Sohn. Der Teenie rannte einfach so drauflos, blickte wahllos umher, ließ sich treiben. Sprintete vorneweg, um sich dann wieder zurückfallen zu lassen, rief seinem Vater etwas zu, ohne dabei außer Atem zu sein. Der Vater hingegen trabte vor sich hin, sehr konzentriert nach vorne blickend und bemüht, den Rhythmus beizubehalten. Ich spürte seinen inneren Kampf, beinahe so, als ob er seine Souveränität nicht verlieren möchte, seine Erschöpfung, bzw. die Strapazen nicht sichtbar werden zu lassen.
In diesem Moment wurde mir wieder einmal bewusst, wie abhängig wir uns von äußeren Bildern, Erwartungen und innerem Druck machen. Diese Unbedarftheit des Jungen, einfach zu laufen, ohne einen bestimmten Grund dafür anführen zu müssen, sondern einfach das Laufen zu genießen, Spaß dabei zu haben, gemeinsam mit seinem Vater etwas zu erleben. Eine Unbedarftheit, die in meinem Leben immer mehr Einzug hält, Raum erobert und auch meine Kreativität beflügelt. Etwas zu tun, ohne dabei an das Resultat, die Konsequenzen oder gar Erwartungen zu denken, sondern es im Moment zu genießen und mitzunehmen, ist dabei der Reiz.
Vielleicht ist das der Schlüssel: Weniger verkrampft nach Idealen, Perfektion oder Scheinwelten streben und mehr dem eigenen Rhythmus und Flow vertrauen.







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