Was mir so durch den Kopf geht #21
- info555080
- 22. Sept.
- 3 Min. Lesezeit
Wurzeln
„Schreibst du an deinem neuen Roman? Wann veröffentlichst du wieder deine kurzen Videos? Schreibst du täglich? Da muss man doch in Übung bleiben! Hast du noch Zeit für die Kunst? Für den Tanz? Tanzt du noch? Wie läuft dein Buch? Wann hast du wieder eine Lesung? Wo kann ich bei dir trainieren? Trainierst du noch? Und wenn, wie viel? Wie oft?..."
Wo stehe ich aktuell? Wie viel Kunst ist in mir, wie viel Kreativität poppt auf und besonders wann? Kommt sie einfach so wieder zu mir, nur weil ich wieder etwas mehr Zeit habe, mein Fokus sich wieder schärft und mein Alltag, der Rhythmus, die Abläufe sich einpendeln und zwischen Arbeit und Privatem endlich eine Balance entwickeln darf, die ich über anderthalb Jahre entbehren musste und definitiv vermisst habe?
Denn wie ich es schon in meinem letzten Newsletter geschrieben habe, ist das Tanzen etwas Essenzielles für mich. Etwas, das zu meinem Leben gehört, wie das Atmen. Und das Schreiben schleicht sich mit Meilenstiefeln an den Füßen heran und hat mich ebenfalls erobert, läuft an manchen Tagen sogar dem Tanz den Rang ab. Während der Tanz wie bei einem alten Baum seine Kraft aus einer nie zu versiegenden Quelle bezieht, so viele Wurzeln gebildet hat, dass er sowohl aus der Tiefe, wie aus der Weite seine Energie erhält, dabei ganz autark sich versorgt und mir Nachlässigkeit, zeitweise Ignoranz oder eine längere Auszeit nicht übel nimmt, verhält es sich mit dem Schreiben etwas anders. Es gibt manchmal Aussetzer, Momente der Kargheit, so wie die kränkelnden Kastanienbäume vor unserer neuen Haustür, die viel zu früh ihre Blätter verlieren, da sie von der Miniermotte befallen sind. Der Herbst hält also Einzug, obwohl noch der Hochsommer voll im Gange ist. So wie meine Ideen und Konzeptansätze im Kopf zahlreiche Versionen bilden und sobald ich sie zu Papier bringen möchte, mir die Sprache dafür fehlt, mir abhanden gekommen ist, die Worte davon fliegen oder sich ins Leere fallen lassen. Die Miniermotte überlebt in den abgefallenen Blättern. Wird das Laub nicht verbrannt oder zumindest außer Reichweite gebracht, befällt die Motte die Bäume Jahr für Jahr wieder. Zum Glück scheint die Miniermotte bei mir nur eine Phase zu sein, die sich diesen Sommer zugespitzt hat, sich im kommenden Jahr so bestimmt nicht wiederholen wird.
Oh Gott, jetzt klinge ich aber ganz schön dramatisch und suhle mich im Selbstmitleid. Dabei ist jede Woche ein neuer Newsletter auch eine Schreibübung. Die Konstante, das Bedürfnis mich auszudrücken, mitzuteilen und spontan ein Thema zu wählen, das sich aus mir herausdrängt, das durchdrungen, reflektiert und ausformuliert werden möchte. Also ist doch alles in Ordnung. Denn auch das Schreiben ist so ein Prozess, der zu einem kommt, wenn man ihn am wenigsten erwartet. Insbesondere, wenn man gerade einen anstrengenden Ortswechsel hinter sich gebracht hat, ein neuer Job ansteht und sich vieles neu ausrichtet. Die Konstante – der morgendliche Spaziergang mit meinem Hund, das gemeinsame Abendessen mit meinem Partner und die Nähe und Wärme meiner zwei Lieblingslebewesen in der Nacht – bildet zwar eine grundlegende Routine und Gewissheit, aber noch vieles liegt im Unklaren, bietet mir im Moment noch kaum Raum zum Herumspinnen, Phantasieren und Ausprobieren.
Es wird wieder werden, das weiß ich. Wie die Wurzeln des alten Baumes, die auch in trockenen Zeiten Wasser finden, werden sich auch meine kreativen Quellen wieder füllen. Vielleicht ist diese Zeit des Übergangs genau das, was sowohl mein Schreiben als auch mein Tanzen brauchen: neue Erde, andere Nährstoffe. Die Kastanienbäume vor der Haustür werden ihre Blätter verlieren, aber im Frühjahr werden sie wieder grünen.
Und so vertraue ich darauf, dass sich die Balance wieder einstellt. Die Kreativität wird zurückkehren, und ich werde wieder schreiben und tanzen. Manchmal braucht es nur Geduld, um zu erkennen, dass auch das Warten Teil des kreativen Prozesses ist – die Zeit, in der sich neue Wurzeln bilden.
Der neue Roman? Im Kopf passiert gerade sehr viel.
Der Tanz? Das Instrument kommt wieder in Stimmung.
Die Phantasie, die Kreativität, die Intuition? Sind auf dem Weg.
Also .. das wird :-)
Jochen, herzlich






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