Vor über zwanzig Jahren habe ich meiner Arbeit als Tanzschaffender den Titel „ChoreoArt“ gegeben, da war der Bezug und die Bedeutung des Begriffs „Choreo“ für mich klar definiert.
Mittlerweile haben sich immer mehr Kürzel in unsere Sprache geschlichen und ich beobachte, dass sie manchmal zu einem Begriff verkommen, der schlichtweg das eigentliche Wort degradiert.
Es in seinem Volumen, Inhalt, seiner Geschichte und Gewichtung geradezu schrumpfen lässt. „Choreo“ ist dabei so ein Wort.
Als Erstes fällt mit OREO dazu ein. Dieser schwarz-weiße Doppelkeks mit Pseudo - Kakaodeckeln und einer undefinierbaren Schein-Milch-Creme.
Viel Wirbel um nichts.
Selbst bei der TV-Show Let´s Dance wird mittlerweile eine „Choreo“ vertanzt und in den meisten TikTok - Videos werden jedwede kurze Schrittkombination zu choreografischen Highlights hochstilisiert.
Was ist denn eine Choreo? Ist das Wort doch von Choreografie abgeleitet:
Es ist das Setzen einer Menschengruppe und einzelner Personen in Bezug zueinander und zu Raum und Zeit. Soweit die ultrakurze Ableitung aus dem Griechischen und dem sinngemäßen theatralen Ursprung.
Für mich bedeutet, eine Choreografie zu erstellen eine äußerst komplexe Fertigkeit, die nicht nur mit ein paar Schrittchen zu Musik, synchronen Gruppenbildern oder spektakulären Bewegungsfähigkeiten wie im Zirkus darzustellen sind.
Im Alltag kann man zahlreiche – teils auch unfreiwillig – Choreografien erleben:
Das Ein- und Ausfädeln sowie Umfahren eines Kreisverkehrs, die Passantenflut in einer Fußgängerzone, das Servieren, Verspeisen und Abräumen von Menüs im Restaurant, das Anschlagen der Wellen am Meer. Oder das Wandeln der Wolkenformationen am Himmel.
Alles sind Konstellationen, Kompositionen, Ausdruck von Energie, Ritualen, wiederkehrenden Abläufen, aufgeladen mit Emotionen, Erinnerungen und Unterbewusstem.
Sie hinterlassen verschiedenste Eindrücke bei uns.
Diese Elemente von Raum, Zeit, Rhythmus, Dynamik Emotion und Dramatik – denn nichts anderes als Tragödie, Komödie oder Epos umgibt uns hier – Ergeben die Grundlage für eine Choreografie. Ein nonverbaler physischer Diskurs. Sei es aus dem Alltag, aus dem eigenen Inneren heraus oder als Vision.
Dafür braucht es Handwerk, Geduld, Ausdauer und viel Zeit zum Ausprobieren, Tüfteln und Erfahrungen sammeln. Das spiegelt sich im verstümmelten Wort „Choreo“ definitiv nicht wieder.
Nennt es lieber: Fingerübung, Sequenz, Tryout, Übung, Etüde oder einfach – Kombination.
Denn Choreografie ist bei weitem mehr als ein kurzes Statement und irgendwelche Schnipsel, die man mal einfach so raushaut.
Keep on creating and reflecting.
Bis bald und Tschüss!
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