Wie viel Kunst gibt es heute im Kunstturnen?
Vor einigen Tagen sind die Olympischen Spiele in Paris zu Ende gegangen. Es hat mich fasziniert, in fast alle Sportarten hineinzuschnuppern. Bestimmte Disziplinen stechen immer heraus. Manchmal wegen ihrer extremen, fast unmenschlichen Leistungen, wegen ihrer unverwechselbaren besonderen Herausforderungen oder wegen der Persönlichkeiten, die dem Sport besonderen Glanz und Ruhm verleihen.
Im Kunstturnen zum Beispiel hat es immer wieder einzelne Persönlichkeiten gegeben, die die Disziplin über viele Epochen hinweg geprägt haben, die durch ihre unverwechselbare Art, sich an den Geräten zu bewegen, neue Elemente erfunden haben, die nach ihnen benannt wurden und so ihren besonderen Status nicht nur für den Moment, sondern auch noch Jahrzehnte danach demonstrierten.
Es ist natürlich bewundernswert, wenn an jedem Gerät Elemente vorgeführt werden, die dem Zuschauer den Mund offen stehen lassen, mit höchstem Risiko, enormer Komplexität von Drehungen, Saltos, Griffwechseln, Flügen und Balanceakten.
Natürlich entwickelt sich alles weiter und wird immer spektakulärer. Die Trainingsmethoden gehen neue Wege und die Ästhetik ändert sich ständig.
Aber ich vermisse immer noch etwas.
Ursprünglich als „Kunstturnen“ begonnen, ist der Sport höher, weiter und gefährlicher geworden. Aus der Kunst am Gerät ist ein Zirkus geworden. Ausdruck, Eleganz und Leichtigkeit werden von vielen Kommentatoren erwähnt, aber für mich werden sie kaum noch präsentiert. Die Verbindungen zwischen den einzelnen Höhepunkten verkommen zu Pausenfüllern und fast schon lästigen Schaschliks.
Das Bodenturnen der Frauen wurde schon immer zu Musik geturnt. In den 1980er Jahren wurde die Musik mit einer Mischung aus Choreografie, Akrobatik und sportlichen Elementen kombiniert. Heutzutage ist die Musik eine Begleitung, die nur noch selten zum Einsatz kommt, sondern eher die Stimmung unterstreicht und nicht interpretiert wird. Die drei oder vier Reihen von Sprüngen sind das Highlight. Alles andere: nettes Beiwerk, selten mit Ausdruck vorgetragen, und es ist fast unmöglich, auf der fast trampolinartigen Fläche sicher zu stehen, so dass man einfach weiter springt.
Im Eiskunstlauf zeigt sich eine ähnliche Situation, vor allem bei den Einzelwettbewerben der Damen und Herren.
Auch im Tanz hat sich viel verändert, und bei manchen Aufführungen interessiert mich mehr, was die Tänzerinnen und Tänzer körperlich wagen, wie sie ihre Grenzen austesten, welche Akrobatik und Kühnheit sie in die Manege werfen, als die angekündigte Intensität von Emotionen, choreografischen Kompositionen, Dramaturgie oder persönlichen Interpretationen, die hier nicht vermittelt, nicht wirklich transportiert werden.
Ich verliere meine Faszination für die Geschichte, für das Original.
Wenn ich Menschen mit Grenzerfahrungen sehen will, kann ich das im Zirkus, im Varieté oder bei Red-Bull-Veranstaltungen tun.
Gerade im Sport sind die stärksten Momente dann, wenn Emotionen ins Spiel kommen und das Menschliche sichtbar und spürbar wird.
Ein bisschen mehr Kunst, Durchlässigkeit, Sinnlichkeit und weniger Gefahr, Draufgängertum und Spektakel.
Keep on moving and enjoying.
Bis demnöchst und Tschüß!
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