Neulich hat mir jemand geschrieben, dass Ballett KEIN Sport sei.
Halt´ mal, das kann ich so nicht stehen lassen!
Ja, Ballett ist in erster Linie eine Kunstform, gehört zu den Darstellenden Künsten. Hier sind Expression, Ästhethik, Musikalität, Dramaturgie und eine jahrhunderte alte Tradition miteinander verknüpft . Somit stellt der Klassische Tanz immer noch eine essentielle Grundlage für für viele Bereiche im professionellen Bühnentanz dar.
Wenn ich also von Athlethik im Tanz spreche, geht es in erster Linie um körperliche Voraussetzungen, Trainingsaufwand, Ausbildungslänge und -aufwand, sowie eine über Jahre, meist Jahrzehnte gepflegte im höchsten Maße intensive, von Resillienz, Entbehrungen und regelmäßigen Grenzüberschreitungen geprägte Lebenserfahrung, die dieses Künstler-Dasein und dieser Beruf mit sich bringen.
Ich selber komme ursprünglich aus dem Sport, stand in meiner Jugend regelmäßig fast jeden Wochentag in einer Sporthalle oder Trainingsstätte und habe an zig Wochenenden Wettkämpfe und Turniere im Kunstturnen und Volleyball bestritten.
Als ich zum Tanzen wechselte, dort eben nach und nach die Kunstform dahinter entdecken durfte, und spätestens als meine Ausbildung zum Klassischen Tänzer begann, war klar, dass dies kein Zuckerschlecken sein wird, dieser Berufswunsch mit viel Leidenschaft und Herzblut angegangen werden muss, da u.a. der Trainingsaufwand immens und auf ähnliche Weise extrem anspruchsvoll war. Gleiches galt für den Zeitgenössischen Tanz.
Unterschied? Die Definition!
Sport steht für verschiedene Aktivitäten des Menschen, die meist, aber nicht ausschließlich, im Zusammenhang mit körperlichen, aber auch geistigen Aktivitäten Hand in Hand gehen. Sie haben häufig einen Spiel- und Wettkampf-Charakter, wobei das Erreichen von Zielen meist elementar ist. Dabei werden Sieger und Verlierer gekürt, es werden Punkte erspielt/erzielt oder Weiten, Höhen und Zeiten gemessen und verglichen.
Das klingt wenig nach Kunst, Bühne oder gar Ballett.
Die Intensität, der Trainingsaufwand und die Dauer bis wettbewerbsfähige Sportler oder eben „bühnentaugliche“ Tänzer dabei herauskommen, sind aber bei beiden Sparten gleich.
Zwei Punkte, die ich euch hier ganz klar näher bringen möchte:
Zum einen ärgert – oder besser gesagt – wundert es mich immer wieder, wenn z.B. ich oder Kolleg*innen nach einer Tanzvorstellung gefragt werden, was wir denn so tagsüber tun würden. Das mag für manch einen von euch absurd klingen, aber es ist schon häufiger passiert, als dass ich Finger an den Händen und Zehen an den Füßen habe. Das tägliche Training, die konstante und kontinuierliche Feinabstimmung des Körpers als Instrument die aufwendigen Probenprozesse, das ständige Wiederholen von Bewegungsabläufen, bis sie in Fleisch und Blut übergegangen sind, so dass eben alles mühelos aussieht und sich Ausdruck und eine persönliche Interpretation daraus entwickeln können, sind mit dem Aufwand und Intensität des Hochleistungssports ohne zu zögern gleichzusetzen.
Zum anderen finde ich es arrogant, wenn Personen aus dem Bereich des Klassischen Tanzes das Ballett als hehre Kunst über den Sport stellen wollen. Ich war genug auf Tanzwettbewerben, habe daran teilgenommen, später juriert und sie aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet. Z.B. der Tanzolymp in Berlin oder der weltweit renommierte Prix de Lausanne sind Wettkämpfe um Medaillen, um Auszeichnungen und Preise. Sie sind hart umkämpft. Es geht um Richtlinien, Regeln und Bewertungskriterien, wo der künstlerische Eindruck, den der Tanzende hinterlässt genauso viel Subjektivität in sich birgt, wie wir es aus dem Sportarten wie Eiskunstlaufen, Kunststurnen oder der Rhythmischen Sportgymnastik kennen. Ehrgeiz, Konkurrenz und das-Gewinnen-wollen sind dort genauso präsent wie im Sport.
Schlussendlich geht es um die eigene persönliche Einstellung. Und hier bin ich ganz bei der Aussage:
TANZ/Ballett sind nicht unbedingt gleich SPORT, haben aber viele Gemeinsamkeiten.
Denn mir geht es dabei um den Ausdruck meiner selbst, um eine künstlerische Auseinandersetzung mit Themen, Gefühlen, Situationen und Bildern, die ich den Betrachtern vermitteln möchte, sie dabei berühren möchte. Durch meine physische Präsenz, durch meine Art mich zu bewegen und zu artikulieren. Es findet also ein nicht wirklich messbarer und sehr fluktuierender Dialog statt. Mit meinem Körper als Instrument, dessen Artikulationsfähigkeiten ich bis aufs äusserste ausreizen möchte.
Keep on working out and challenge your instrument.
Bis bald und Tschüß!
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