Glaub es oder nicht! Tänzer müssen essen!
Das ist genauso ein Mythos, wie:
Ballett ist nur etwas für Mädchen oder alle Balletttänzer sind schwul.
Dennoch ist das Thema Ernährung, Körperbewusstsein und die Optik, bzw. das Erscheinungsbild einer/s Tänzers/in sehr komplex und lässt sich mit Sicherheit nicht in wenigen Sätzen beantworten.
Fest steht, dass der professionelle Bühnentanz mit dem Hochleistungssport gleichzusetzen ist und demnach unter vielen Aspekten zu betrachtet werden muss, die wir eben auch aus dem Sport kennen und anwenden. Und hierzugehört eine vernünftgie und ausgewogene Ernährung. Denn der Körper verbrennt Unmengen während des Trainings, der täglichen stundenlangen Proben und besonders während der zahlreichen Vorstellungen.
Die Anforderungen, die an die Körper und die Psyche gestellt werden sind sehr hoch. Während z.B. ein Sportler*in meist mit konkreten und planbaren Zielen auf bestimmte Termine hin trainiert, um genau zu einem oder einzelnen Höhepunkten während der Saison fit zu sein und genügend Aufbau- und Ruhephasen haben, sind bei Berufstänzer*innen – je nach Situation (festes Ensemble / lange Produktion oder freischaffend unterwegs) – die Proben, die Vorstellungsserien und die Abstände dazwischen kaum planbar, verschieben sich immer wieder und haben wenig mit der langfristigen Vorbereitung einer Sportsaison gemeinsam. Daher muss sich eine Tänzer*in anders fit halten und seinen/ihren eigenen Rhythmus finden.
Der Stoffwechsel, die individuelle anatomische Konstellationen, atypische Tagesabläufe, unregelmäßige Arbeitszeiten, kurze bis kaum Erholungsphasen erfordern ein hohes Maß an Flexibilität und eine ständige Aufmerksamkeit, um sich täglich den neuen Herausforderungen zu stellen.
Dazu gehört insbesondere auch die Ernährung, was und wie man ist und der Umgang mit dem eigenen Bild, das man von sich und seinem Körper hat, bzw. haben möchte und das nicht immer mit der Realität übereinstimmt (wie ich aus eigener Erfahrung berichten kann) und eher Frust als Lust auf auslöst. Sicherlich gibt es immer noch – gerade im Klassischen Ballett – bestimmte Vorstellungen und Ideale, die dort vermittelt, gewünscht und bedient werden. Das liegt zum einen an der jahrhundertealten Tradition und dem damaligen mädchenhaften, filigranen Escheinungsbild einer Balletttänzerin, die in Gemälden des 19. Jahrhunderts noch als elfenhaftes, über dem Boden schwebendes Wesen dargestelllt wurde. Es gibt auch immer noch eine Anzahl von Ballettpädagogen, die es nicht verstanden haben, dass dieses Ideal nicht bei allen durch Diäten, Hungern und tägliches Wiegen zu erzielen ist.
Dass es hier zu Essstörungen und falschen Bildern im Kopf führen kann, ist leider ein Effekt, den wir aber auch von vielen anderen Sportarten und Berufen kennen und nicht nur allein auf das Ballett zutrifft.
Hier spielen Gene, physische und psychische Konstellationen, und viele andere Faktoren eine Rolle, die man nicht einfach so beeinflussen kann und auch nicht immer „auf Teufel komm raus“ ändern sollte und schon gar nicht muss.
Manche Choreograf*ìnnen und Direktor*innen müssen hier zum Teil noch umdenken, um dieses überholte Bild neu zu definieren. Und nicht zu vergessen: das Publikum, das solche Ästhetiken zum Teil zelebriert und sich mit manch einer anderer Optik nicht zufrieden gibt.
Doch mittlerweile ist der Tanz auf der professionellen Bühne so bunt und vielfältig, dass das Klassische Ballett selbst als Karrieresprung nur noch einen Bruchteil davon ausmacht und damit vielen verschiedenen Körpertypen und vor allem Künstlerpersönlichkeiten den Raum geöffnet hat, um hier eine Berufslaufbahn zu starten.
Ohne Hungern, ohne Diäten und mit einer vernünftigen Ausbildung, die das Thema Ernährung, Tanzmedizin, präventive und somatische Ansätze und vor allem die Individualität fördert und somit für eine “gesunde“ Vorbereitung sorgt, um eine professionelle Tanzkarriere zu beginnen und sie auch über viele Jahre leben und durchhalten zu können. Dass der Anspruch dennoch hoch bleibt, ist nicht von der Hand zu weisen. Und dass es immer nur ein Bruchteil schafft, hier durchzukommen, gehört zu jeder Kunstsparte und Berufslaufbahn dazu.
Keep on enjoying food, your body and listen to yourself.
Bis bald und Tschüß!
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