Obwohl ich seit so vielen Jahren diese Situation sehr gut kenne und ich die aufkommenden Gefühle auch einzuschätzen weiß, übermannt mich jedes mal eine Welle der Melancholie. Es ist eine Art Abschiedsschmerz gekoppelt mit der Sehnsucht mehr dabei sein zu wollen/können und dennoch zu wissen, dass dies meist nicht der Fall sein wird. Es keimen Momente der Hoffnung auf, dass es anders kommen könnte - denn die Hoffnung stirbt bekanntlich zu letzt -, dann übernimmt der Verstand wieder die Kontrolle und ich kann nichts dagegen tun…
Gerade habe ich mich wieder auf ein Ensemble und auf ein neues Theater eingelassen, habe versucht ein paar Spuren zu setzen, die nicht so schnell fortgewischt werden können, da bin ich auch schon wieder weg. Ich überlasse es den TänzerInnen (ihr seid wirklich wunderbar), dem Ballettmeister (Paul - mach weiter so) und einem neuen Technik/Beleuchtungsteam (das wird!) eigenständig die Verantwortung über meine choreografische Arbeit zu übernehmen. Ich werde es erst am Ende der Vorstellungsserie schaffen mir nochmals dieses Werk anzuschauen und die weitere Entwicklung sehen können, die der Nussknacker mittlerweile nach 16 Vorstellungen gemacht haben wird.
Keine Niederschrift, keine Notenblätter oder Soufflleusen aus dem Bühnenkasten sind da, um alle Details, die wir uns so mühsam über Wochen, Monate angeeignet und zig fach repetiert haben, aufrecht zu erhalten. Es liegt alles im Moment, alles in den Körpern und Köpfen jedes einzelnen Tänzers, meine choreografischen Gedanken, Schritte und Intensionen umzusetzen. Jede Vorstellung ist ein neues Abenteuer: ein neues Publikum, eine andere (nicht messbare) Tagesform oder ein „falscher“ Schritt, ein zu später/früher Einsatz oder ein „Mini-“Blackout könnte eine Kettenreaktion auslösen, an die ich besser gar nicht denken möchte und es wohl auch nicht wissen will.
Ich bin nicht da, kann nicht eingreifen, noch das Ruder rumreissen. Es kommt, wie es kommt. Und vielleicht ist dies gerade die Faszination dieser künstlerischen Arbeit. Denn jede Vorstellung stellt eine neue Herausforderung dar, bleibt bis zum Schluss ein Mysterium und offenbart sich erst, wenn der Vorhang schließt, der letzte Scheinwerfer gelöscht ist und der Applaus sich hoffentlich einstellt.
Ich wünsche allen Beteiligten für die heutige Premiere in Rudolstadt ein großes ToiToiToi und viel Spaß. Ich denk an euch! Danke für die tolle Zusammenarbeit.
J.H.
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